Keines der großen bildungspolitischen Themen wollte Tayfun Tok am vergangenen Mittwoch (27. September) im Freiberger Prisma auslassen: Lehrermangel, Digitalisierung, Bildungsaufstieg, G9.
Kultusstaatssekretärin Sandra Boser (Grüne) sprang kurzfristig für die erkrankte Ministerin Theresa Schopper ein. Rund 70 Gäste folgten der Einladung.
Vor 20 Jahren stand das Beamtentum für Sicherheit, Flexibilität und Familienfreundlichkeit. Heute haben Maßnahmen wie die flächendeckende Einführung des Homeoffice dafür gesorgt, dass Berufe in der freien Wirtschaft oftmals bessere Konditionen bieten. Selbst die Betreuung eigener Kinder ist durch fehlende Betriebskitas für Lehrer eine ungeklärte Frage. In Freiberg trifft man daher regelmäßig auch den Nachwuchs von Lehrkräften im Lehrerzimmer an, bei deren Betreuung sich das Kollegium unterstützt, berichtet Schulleiter René Coels. Auch wenn der Fachkräftemangel in allen Branchen ein Thema ist, sind die Auswirkungen in der Bildung besonders eklatant, so Boser: „Lehrkräfte können nicht einfach umgeschult werden wie LKW- oder Busfahrer. Die Ausbildung braucht zwangsläufig Zeit.“ Dennoch zeigen die von der Landesregierung getroffenen Maßnahmen fernab der umstrittenen "Hurra"-Kampagne Wirkung. In diesem Schuljahr konnten erstmals über 1000 Grundschullehrkräfte eingestellt werden. Die Anzahl der Studienplätze wurde verdoppelt, sodass die Zahl der freien Stellen im Lehramt von 800 auf jüngst 500 sank.
Die Erwartungen an schulische Bildung haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Maßgeblich soll die Schule auf die gestiegenen Anforderungen der modernen Arbeitsleben vorbereiten. „Kein Schüler von heute wird sein gesamtes Arbeitsleben in einem Betrieb verbringen. Wirtschaft und Arbeitsmarkt krempeln sich ständig um“, so Tok. In den Lernplänen von heute stehen daher Kooperation und kritisches Denken ebenso wie Programmieren und Analysieren. Bereits in der dritten Klasse werden Referate gehalten. Coels, der seine gesamte Laufbahn an der Freiberger Oscar-Paret-Schule verbrachte, betont den Wandel des Unterrichtsstils: „Während meiner Schulzeit hörte sich Physik in der Schule wie eine Vorlesung an. Heute gleicht die Naturwissenschaft in der Schule einem praktischen Vorkurs für die Jobs in Wirtschaft und Industrie.“ Mit Blick nach vorne skizziert Coels, wie durch künstliche Intelligenz das Unterrichten revolutioniert werden könnte. „Wir sehen eine große Chance in Feedbacksystemen, die maßgeschneidert Aufgaben erstellen und so individuelle Förderung ermöglichen.“
Tok, der selbst über den zweiten Bildungsweg das Abitur erlangte, hält das enge Netz an beruflichen Schulen im Land für eine Stärke. „Die jungen Menschen sollen wissen, dass sie es mit Fleiß nach ganz oben schaffen können. Ganz egal wie sie heißen und wo sie herkommen“, betont der Landtagsabgeordnete. Wichtig sei jedoch, dass alle Kinder Grundfertigkeiten mitbekämen. Das Land orientiere sich daher an den Modellen aus Hamburg, die eine Testung bereits im Kindergarten und verpflichtende Kurse zur Sprachförderung vorsehen. So möchte man den Start in die Schule erleichtern und den immensen Unterschieden im Erfolg der Bildungskarrieren entgegenkommen. Zur Frage nach der Debatte rund um das neunjährige Gymnasium stellt Boser klar fest, dass der Fokus zuerst auf der Grundschule liegen müsse: „Wir müssen unsere Ressourcen gebündelt einsetzen für einen guten Start aller Kinder.“