„Wer um 03:30 anfängt, schafft es abends nicht mehr zum Stammtisch.“
Als Abgeordneter darf ich viele spannende Gespräche führen. Besonders inspirierend sind aber oft die Begegnungen mit den Menschen in meinem Wahlkreis – bei uns zu Hause. Daher möchte ich an dieser Stelle jedes Mal eine Persönlichkeit vorstellen, die ich auf eine Tasse Tee oder Kaffee treffen durfte.
Name: Amelie Kalt
Alter: 18
Familie: noch jung und ledig
Beruf: Konditorin
Grüner OV: Marbach
Ich kann Euch dabei helfen: Die Politik aus den Augen junger Menschen zu sehen.

Hallo Amelie, wir sitzen nun am Nachmittag zusammen, doch Du denkst schon ans Schlafen gehen. Wie hart ist der Alltag in der Backstube?
Wir fangen um 03:30 Uhr an; da ist es nicht immer ganz einfach wach zu werden. Mit etwas Gewohnheit klappt´s. Zu den politischen Veranstaltungen am Abend schaffe ich es an so einem Tag nicht mehr. Das ist auch ein Problem und vielleicht ein Grund, warum so wenige Leute aus dem Handwerk in der Partei aktiv sind.
Später anfangen ist keine Option?
Nicht wirklich. Die Klassiker, die bei uns in großen Stückzahlen über den Tresen gehen sind Brezeln aus der Bäckerei und Käsekuchen aus der Konditorei. Mit meinen Aufträgen bin ich meist gegen acht Uhr fertig, bis das in der Filiale ankommt gegen neun und dann stehen auch schon die ersten Kunden bereit. Für die Bäckereien ist es eine schwierige Frage: Wenn wir später anfangen, haben sich vielleicht schon alle ihr Vesper bei der Konkurrenz geholt, bis wir fertig werden.
Das Handwerk spürt außerdem einen starken Strukturwandel.
Die Zahl der Bäckereien, die noch alles selbst machen, wird kleiner. Brot, Brötchen und sogar Kuchen kaufen viele Leute heute schnell beim Discounter. Dahinter stehen große Backfabriken, die auf eine starke Automatisierung setzen. Mit dem Handwerk hat das nicht mehr viel zu tun. Zugleich gehen vor Ort aber auch die Leute aus, die sich in den Jobs noch engagieren wollen. Und zumindest da ist man auch nicht ganz unschuldig.
Bist du unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen?
Seit ich als Konditorin arbeite, sind mir eher strukturelle Probleme aufgefallen, die mit den Erwartungen junger Menschen nicht zusammenpassen. In vielen Betrieben wird ein starkes Hierarchiedenken gepflegt. So darf der Azubi etwa selten ei der Hochzeitstorte anpacken, denn das ist Meistersache. So fehlen aber auch die Möglichkeiten, selbst besser zu werden. Außerdem ist das Aufsteigen begrenzt. Freunde in der Industrie wurden schon zwei Mal befördert und ich habe nach Lehre und Meister eigentlich nur die Möglichkeit zur Selbstständigkeit. Sofern man sich das zutraut. Für mich habe ich daher entschieden, nochmals neu anzufangen. Ich möchte eine kreative Arbeit machen und bin im Mediensektor fündig geworden.
Gibt es ein Vorbild, das Dich motiviert?
Ich finde Ricarda Lang inspirierend. Vielleicht weil ich in ihrer Biografie auch mich wieder finde. Sie hatte es nicht leicht, auch einen Studienabbruch hingenommen. Aber sie ist schlau, hat unglaublich viel Wissen und macht einfach ihr Ding.
Bitte beantworte die folgenden Fragen mit jeweils einem Wort:
Bei „Politik“ denke ich an: Verantwortung
Zuversichtlich stimmt mich: Die Jugend
Der schönste Flecken ist: London
Dein Lieblingswort auf Schwäbisch: Gell
Deine persönliche Weinempfehlung: Ich trinke keinen Alkohol, daher ist mein Lieblingsgetränk Orangensaft.
Vergangene Ausgaben
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Ausgabe 8 - Tayfun trifft Babette (Februar 2023)
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