„Man kann nicht Christ sein und sich für Politik nicht interessieren."
Als Abgeordneter darf ich viele spannende Gespräche führen. Besonders inspirierend sind aber oft die Begegnungen mit den Menschen in meinem Wahlkreis – bei uns zu Hause. Daher möchte ich an dieser Stelle jedes Mal eine Persönlichkeit vorstellen, die ich auf eine Tasse Tee oder Kaffee treffen durfte.
Name: Volker Störzinger
Alter: 68 Jahre
Familie: verheiratet, zwei erwachsene Söhne
Beruf: stv. Schulleiter im Ruhestand
Grüner OV: Freiberg am Neckar
Ich kann Euch dabei helfen: Da, wo man mich gebrauchen kann.
Lieber Volker, wenn der OV Freiberg eine Sitzung hat, lässt Du es Dir nicht nehmen, zwischen den Zeilen richtig politisch zu werden. Seit fast 40 Jahren trittst Du mit klarem Kompass für die grüne Sache ein. Was hat Dich dazu gebracht, politisch zu denken?
Ich war 16 Jahre, als ich angefangen habe, mich zu engagieren. Da war es das Jahr 1972. Der Vietnamkrieg hat die Jugend politisiert. Ich konnte es nicht fassen, dass die deutsche Regierung indirekt diesen Krieg unterstützt. Mir kam das vor, als hätten wir unsere Geschichte vergessen gehabt. Vieles war für uns damals ganz anders. Heute verurteilen alle politischen Kräfte den Faschismus der AfD. Zum Glück. Damals war man da offener. Ich glaube, die Menschen waren damals politischer, weil Politik noch streitbarer war.
Warst Du schon immer eher „links“?
Damals gab es nur drei Lager: Die Konservativen, die Sozis und die Kommunisten. Wer also das Gestern überwinden wollte, hatte nicht viele Möglichkeiten. Ich hatte damals an einer kommunistischen Programmschulung teilgenommen, bevor ich dann kalte Füße bekommen habe. Selbstkritisch muss ich heute sagen, als Jugendlicher nicht alles hinterfragt zu haben. Gerade in der Außenpolitik gab es bei uns blinde Flecken. Dennoch muss ich sagen, dass die K-Gruppen eine wichtige Vorarbeit geleistet haben. Und als in Wyhl das AKW gebaut werden sollte, öffnete sich dann der Weg für eine größere ökologische Bewegung. Ich bin in Karlsruhe aufgewachsen. Als dann endlich die Grünen sich gründeten, empfand ich das als Erlösung. Endlich eine politische Heimat zu haben, das war ein tolles Gefühl.
Zu Hause warst Du immer auch in der Kirche.
Eigentlich lag mir das kirchliche Engagement viel näher als das Politische. Aber die Frage ist doch, ob man Christ sein kann und unpolitisch. Für mich ist das unvereinbar. Man kann nicht Christ sein und sich nicht für Politik interessieren. Wenn ich das Werk des Glaubens ernst nehme, kann ich nicht sagen: Was in der Welt passiert, geht mich nichts an. Gelebte Nächstenliebe heißt für mich, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und so zu handeln, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Auch im Politischen.
Sind die Grünen eine christliche Partei?
Zumindest sehe ich ein Fundament, dass auch unserer Politik zu Grunde liegt. Ob ich es nun „Nachhaltigkeit“ oder „Bewahrung der Schöpfung“ nenne ist doch egal. Es geht beim Schutz des Planeten um dasselbe. Daher finde ich es auch gut, wenn die Kirche vermeintlich so politisch spricht und handelt. Was mich erschüttert sind Bilder aus Russland, wo Priester auf Demonstrationen und Paraden auftreten. Waffen zu segnen, macht keinen Sinn. Und gerade für mich als Protestanten ist es wichtig, dass meine Kirche die Distanz zur Macht sucht und kritisch ist.
Hat der Glaube heute noch einen Platz in der Gesellschaft?
Ich war viele Jahrzehnte lang stellvertretender Schulleiter an einem evangelischen Gymnasium. Auch wenn ich keine Religion unterrichtete, sondern Mathe und Physik, ging es in vielen Gesprächen mit den Schülern um Werte. Was uns umtreibt, hat sehr oft was damit zu tun, was richtig und falsch ist. Da hilft es uns, wenn wir einen Kompass haben. Und wenn ich mir die volle Kirche zu Weihnachten anschaue, dann denke ich, dass die Gesellschaft immer noch das Bedürfnis nach einer moralischen Instanz hat. Wir müssen ehrlich sein: Unsere Kirchen leisten viel für Kinder, Senioren, Familien, Geflüchtete und das Zusammenleben. Ich denke, wir tun gut daran, ihr Wort auch ernst zu nehmen.
Bitte beantworte die folgenden Fragen mit jeweils einem Wort:
Bei „Politik“ denke ich an: Verantwortung
Zuversichtlich stimmen mich: junge Menschen
Der schönste Flecken ist: Karlsruhe
Dein Lieblingswort auf Schwäbisch: Ha noi!
Deine persönliche Weinempfehlung: Huxelrebe
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