Die Debatte um die Energiewende in Deutschland hat in den vergangenen Monaten wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Nachdem im vergangenen Winter die Energiepreise kurzfristig stark angestiegen sind, war in Politik und Wirtschaft eine große Einigkeit im Hinblick auf die Schaffung einer sicheren, sauberen und verlässlichen Stromversorgung zu spüren, die bis heute anhält.
Vor allem Wind und Sonne sollen die Energie für klimaneutrale Produktion und Wärmeversorgung liefern. Bekannt ist allerdings auch, dass ein Ausbau der Windenergie in der Region Stuttgart möglich, aufgrund begrenzter Flächen mit ausreichender Rentabilität jedoch stark begrenzt ist. Der grüne Landtagsabgeordnete Tayfun Tok, Wahlkreis Bietigheim-Bissingen, möchte daher die Debatte über Freiflächen-Photovoltaikanlagen beleben und hat sich bei der Landesregierung zu einem durchaus ungewöhnlichen Vorschlag umgehört: Kann man ungenutzte Steillagen eigentlich für die Energieerzeugung nutzen?
Die Idee wird in Neckar- und Bottwartal schon seit vielen Jahren an Stammtischen und unter engagierten Kommunalpolitikern diskutiert. Schließlich sorgt der Wandel in Alters- und Berufsstruktur vermehrt zum Verfall einstiger Weinberge. Nur noch wenige machen sich die harte Arbeit im Weinberg zum Hobby, um so die Natur zu pflegen und edle Weine zu erzeugen. Die Folge sind Brachflächen, auf denen sich zunächst Brombeersträucher verbreiten. „Diesem Prozess möchte ich nicht tatenlos zuschauen“, so Tok. Umwelt- und Energieministerin Thekla Walker sieht in ihrem Schreiben an Tok durchaus ein Potential für die Energieerzeugung in der Steillage. So bieten die Flächen oft die besten Bedingungen für moderne Photovoltaik. Technik im Weinberg bietet jedoch nicht unbedingt die besten Bedingungen für Flora und Fauna. Weinberge sind teilweise echte Biotope, in denen seltene Arten ihren Platz finden. Ob sich Eidechsen und Co. unter den Modulen genauso wohlfühlen wie unter Reben, bleibt fraglich.
Nicht zuletzt deshalb sieht Tok auch eine Gefahr falscher Anreize:
„Im Schlimmsten Falle wäre es am Ende lohnender einen bestehenden Weinberg umzugraben, um dort Strom zu produzieren, anstatt Wein. Das wollen wir nicht.“
Die primäre Aufgabe der Flächen ist die landwirtschaftliche Nutzung. Dies betont auch Landwirtschaftsminister Peter Hauk in einem Schreiben an Tok. Die PV im Weinberg kann nur der Plan B für eine Lage sein, die wirtschaftlich nicht mehr anderweitig nutzbar ist. Oder aber die Energieerzeugung ergänzt den Weinbau.
Hierzu investiert das Land derzeit in Forschungsprojekte, inwieweit der Weinbau sogar vom Solar-Überbau (sog. Agri-Photovoltaik) profitieren kann. Mehr Einkommen für die Wengerter und zugleich Schutz vor Hagel und Starkregen. Für Tok ein interessanter Ansatz, den es sich in der Region weiter zu verfolgen gilt. „Das Interesse ist spürbar, weshalb ich mir ein Pilotprojekt hier bei uns gut vorstellen kann“, so Tok, der die betreffenden Partner an einen Tisch bringen will. Weiter betont der Abgeordnete: „Egal ob über den Reben oder im Weinberg nebenan verändert die Technik das Aushängeschild der Region deutlich. Es stellt sich als eine Grundsatzfrage, über die breit diskutiert werden muss.“ Zugegeben werden muss schließlich auch, dass auf zahlreichen öffentlichen Gebäuden, Hallen und Parkplätzen die Stromerzeugung auch noch keinen Platz gefunden hat. Doch vielleicht lohnt sich der neue Ansatz und erweist sich am Ende als willkommener Nebenverdienst, so wie einst der Trollinger.