Die Klimakrise ist die Existenzfrage unserer Zeit. Doch der Weg zur klimaneutralen Kommune ist kein einfacher. Vieles ist noch zu langsam, zu umständlich, zu teuer, zu bürokratisch. Klar ist, wir schaffen die Klimaneutralität nur gemeinsam. Da müssen alle Bewohner*innen, Unternehmen, Landwirtschaft, Verbände, Vereine, Kirchen etc. vor Ort an einem Strang ziehen. Von ihren Erfahrungen berichteten die Steinheimer Klimaschutzmanagerin Rebecca Roller und der Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg Dr. Andre Baumann in einer spannenden Gesprächsrunde am vergangenen Freitag (21. Oktober).
Der grüne Landtagsabgeordnete Tok war besonders stolz, für dieses wichtige Thema nach Steinheim einladen zu dürfen, wo er einst die Schule besuchte und zu Hause war. Einige Stadt- und Gemeinderäte aus der Region folgten den Ausführungen der Steinheimer Klimaschutzmanagerin Roller gespannt: "Hier haben Verwaltung und Gemeinderat verstanden, dass es vorangehen muss beim Klimaschutz." Anfangs stehen Kommunen vor großen Herausforderungen. Zunächst muss bilanziert werden, wo sich die großen Klima-Baustellen in der Stadt befinden. Insbesondere betont Roller dabei den Grad der Vernetzung. "Beim Thema Klimaschutz ziehen alle an einem Strang. Da tauscht man sich aus, bekommt neue Ideen und bespricht auftretende Probleme." Steinheim wurde aus diesen Gründen auch Teil des European Energy Awards. An diesem Programm nehmen Kommunen aus ganz Europa teil und bilden mittlerweile ein großes Experten-Netzwerk. Beim wichtigen Ausbau des Steinheimer Nahwärmenetzes spielte dies eine große Rolle.
Andre Baumann aus dem Landesumweltministerium schilderte die Arbeit der übergeordneten Ebene und betont, dass "von guten Neujahrsvorsätzen auch noch niemand abgenommen hat." Daher sei es wichtig, Projekte an der Wurzel zu packen. Für das Land Baden-Württemberg heißt das etwa den Bau von 1500 Windkraftanlagen. Baumann, der selbst langjähriger Vorsitzender des NABU war, erklärt wie die Landesregierung Naturschutz garantieren und zugleich den Zubau beschleunigen will. "Der Auerhahn braucht keinen Wind, sondern eine Nahrungsgrundlage." Bei der Standortwahl besteht somit zumeist kein Widerspruch. Genehmigungsverfahren neuer Anlagen sollen maximal drei Jahre dauern. Laut Baumann ein Ziel, welches mit viel Druck aus dem Staatsministerium vorangetrieben wird und bald erreicht ist.
"Mittlerweile hat auch der letzte Landrat verstanden, dass ihm die Industrie abwandert, wenn er nicht für grünen Strom sorgt." - Dr. Andre Baumann
Roller, die in Steinheim schon einige Projekte angestoßen hat, zeigt sich bodenständig. "Wir haben noch einen weiten Weg vor uns." Fördergelder von Bund und Land gibt es für die meisten sinnvollen Vorhaben. Jedoch sei es nicht immer einfach, sich im "Förderdschungel" zurechtzufinden. Auch hier sei der Austausch mit Nachbarkommunen und der Ludwigsburger Energieagentur LEA essenziell. Nicht vergessen werden dürfe, dass Klimaschutz aus drei Säulen besteht und alle Lebensbereiche betrifft: Effizienz, Suffizienz, Konsistenz.
Aktiver Klimaschutz in den Kommunen ist immer auch ein Garant für bessere Lebensqualität: Bessere Luft, weniger Lärm, mehr Gemeinschaft und sichere Energie.
Zentral für die Entwicklung im Land ist das neue Klimaschutzgesetz, welches erstmals ambitionierte Sektorenziele zur Treibhausgasminderung vorweist. "Mittlerweile hat auch der letzte Landrat verstanden, dass ihm die Industrie abwandert, wenn er nicht für grünen Strom sorgt", so Baumann. Die Wirtschaft im Ländle möchte ihre Produkte klimaneutral auf dem Weltmarkt platzieren. Diesen Rückhalt betont auch der wirtschaftspolitische Sprecher Tok. Wenn das Land als Standort bestehen will, muss es eine bessere Lösung für die Energieproblematik geben, als nur auf Windräder zu setzen, die weit weg in der Nordsee stehen. Ansonsten droht eine Abwanderung des produzierenden Gewerbes dorthin, wo der Strom billig ist und es Wind und Sonne in rauen Mengen gibt. "Bevor dann der Wasserstoff aufwendig hier her transportiert wird, überweist man uns lieber den Länderfinanzausgleich."
"Die Verfügbarkeit von Erneuerbaren Energien ist zu einem harten Standortfaktor in der Wirtschaft geworden" - Tayfun Tok
Das neue Klimaschutzgesetz ist daher vor allem als Maßnahme zur Förderung des Standorts zu sehen. Man ist zuversichtlich, dass Baden-Württemberg die Transformation schafft. "Am Anfang meckern alle, am Ende sind alle dafür", lässt sich die Praxis des Klimaschutzes vor Ort zusammenfassen.