Obwohl Tayfun Tok von sich selbst sagt, ein Faible für Altstädte zu haben, sollte beim kürzlich stattgefundenen politischen Stadtrundgang die alte Bausubstanz eher eine untergeordnete Rolle spielen. „Angesichts des Klimawandels bedarf es in Städten und Gemeinden einer nachhaltigen Stadtentwicklung, welche auch künftigen Generationen gerecht werden kann“, so Tok. In Kooperation mit dem Bündnis Mensch und Umwelt (BMU) Besigheim wurde unter Pandemie-bedingungen ein Rundgang zusammen-gestellt bei dem Tok und die baupolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion Susanne Bay an verschiedenen Treffunkten auf engagierte Besigheimer*innen treffen konnten.
In Besigheim gibt es dabei viel zu tun. „Unsere Stadt ist bekannt für guten Wein und schöne Aussichten. Wir möchten aber auch endlich Vorreiter in Sachen Klimaschutz sein“, betont Daniel Christen vom BMU, der bei der Planung beteiligt war. Lokaler Klimaschutz beinhaltet viele Aspekte und sollte aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden. Daher rät Tok, der selbst Gemeinderat in Murr ist, unbedingt zur Schaffung der Stelle eine*r kommunale*n Klimaschutzmanager*in. Um die Gemeinden hierbei zu entlasten, haben sich die Grünen in der Landesregierung schließlich dafür eingesetzt, dass diese Stellen fast vollständig durch Landesmittel finanziert werden können.
Umso erstaunlicher war es für Tok zu hören, dass in Besigheim wohl tatsächlich über die Reaktivierung einer Abbiegespur zu Ungunsten des Radverkehrs diskutiert werde. Es gilt das Radfahren attraktiv zu machen. Gerade auch bei schwierigen Topgrafien sei dies angesichts der zunehmenden Popularität von E-Bikes ein weitaus unterschätzter Verkehrsträger, der kaum Platz braucht und keinen Lärm macht. „Wenn wir etwa über das Mobilitätsverhalten in Städten sprechen, sorgen clevere Lösungen für eine Verbesserung der Lebensqualität aller“, so Tok.
Nachhaltige Städte müssen für Tok aber nicht nur den Anspruch der Klimaneutralität haben. Sie sollen auch die Bedürfnisse der Menschen im Blick haben und keine Gruppen von der gesellschaftlichen Teilhabe ausschließen. Maike Ahlgrimm, die ein Beratungsangebot in Besigheim betreut und die Belange verschiedener beeinträchtigter Menschen kennt, zeigte in der Besigheimer Innenstadt auf, dass Geschäfte und das Rathaus mit Rollator oder Rollstuhl nur mühsam oder gar nicht erreicht werden können. Susanne Bay verweist hierbei auf den Gedanken der Bürgerbeteiligung: „In Heilbronn haben wir gute Erfahrungen mit einem Inklusionsbeirat gemacht. Dort werden Probleme ernsthaft ausdiskutiert und Lösungen gesucht. Die Bürger*innen wissen selbst am besten, was sie in ihrem Alltag behindert und können so aktiv mitgestalten.“
Stadtentwicklung ist für die Grünen eng mit dem Gedanken der Quartiersarbeit verwoben. „Bei modernen Planungen geht es nicht darum Wohnraum zu errichten, sondern Lebensräume zu schaffen, wo sich Menschen begegnen und wohlfühlen“, fasst Tok zusammen. Etwas überspitzt könnte also auch das Motto eines Möbelhauses zu Rate gezogen werden: Wohnst du noch oder lebst du schon? Ideen, wie so ein modernes Quartier aussehen könnte, wurden mit Blick auf die Alte Ziegelei ausgetauscht. Benjamin Tempel vom BMU möchte sich für klimaschonenden Wohnbau einsetzen: „Wir möchten sicherstellen, dass hier Wohnraum für alle entsteht, nicht nur für Hochverdiener*innen, sondern auch für Pfleger*innen und Polizist*innen.“ Dies zu verbinden mit dem Einsparen tausender Tonnen von CO2 durch nachhaltige Baustoffe wünscht er sich. Auf die Frage, wie eine Gemeinde Einfluss auf Bauprojekte nehmen kann, hat Susanne Bay eine erstaunlich einfache Antwort: „Das letzte Wort im Verfahren hat immer der Gemeinderat.“