Wenn es um die Kinderbetreuung geht, wird es schnell existentiell. Der Alltag vieler Familien lässt sich ohne zuverlässige und flexible Betreuung heute kaum noch bewältigen. Jede Diskussion über Beiträge und Ausbau der Betreuungseinrichtungen weckt daher vor Ort die Debatte um die Frage: Welches Familienmodell ist gesellschaftlich gewünscht?
Der grüne Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Bietigheim-Bissingen, Tayfun Tok, wollte wissen, wie es um die Situation an den Kindertagesstätten und Kindergärten in unserer Region steht. Gibt es vor Ort genügend Betreuungsangebote? Wie steht es um die Personalsituation? Können sich die Kommunen einen weiteren Ausbau leisten? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, wendete sich Tok an das zuständige Kultusministerium, erfragte die Situation bei den Rathäusern in seinem Wahlkreis und traf eine Einrichtungsleiterin zum persönlichen Gespräch.
Der Blick auf die Zahlen zeigt, dass Land und Kommunen in den vergangenen Jahren ordentlich aufgeholt haben. Seit 2011 ist die Zahl der Betreuungsplätze im Landkreis Ludwigsburg um rund 25 % gestiegen (von 22.150 auf 28.407 im Jahr 2024, Angebote der Kindertagespflege nicht berücksichtigt). Mittlerweile besucht etwa ein Drittel der Kinder unter drei Jahren im Landkreis eine Kindertagesstätte. Und fast jedes Kind (92,7%) besucht vor dem Schuleintritt den Kindergarten.
Stieg die Nachfrage durch die Eltern in den vergangenen Jahren stetig an, gehen einige Kommunen davon aus, vorerst keinen Zuwachs mehr zu verbuchen. Im Zuge der Corona-Pandemie mit dem Vormarsch des Homeoffice, habe sich die Nachfrage nach Betreuung stark verändert. Ebenso müssen die Arbeitgeber im Zuge des Fachkräftemangels immer stärker auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer reagieren. In der Folge lassen sich Beruf und Familie immer besser vereinbaren.
Dennoch sind die Betreuungsangebote der Kommunen für viele Familien das Rückgrat, um den Alltag bewältigen zu können. Aufgrund der hohen Lebensunterhaltskosten sind viele Familien auf ein zweites Einkommen angewiesen. Mit einer Auslastung zwischen 95 und 105 % ist die Nachfrage nach Betreuungsplätzen vor Ort immer noch hoch. Wie flexibel die Kommunen dabei auf die Bedarfe der Eltern reagieren können, unterscheidet sich stark. Während in einigen Orten sogar Wartezeiten nötig sind, gibt es andernorts stets einen geringen Anteil freier Plätze.
„Es wird deutlich, dass sich das langjährige Engagement derer Kommunen auszahlt, die schon früh den Nutzen verlässlicher Betreuungsangebote erkannt haben“, kommentiert Tok. Herausgefordert werden derzeit alle Einrichtungen durch den anhaltenden Fachkräftemangel. Erzieherinnen und Erzieher sind rar und gefragt. Die Landesregierung hatte bereits reagiert und den kommunalen Trägern einige Sonderregelungen ermöglicht. So dürfen einzelne Gruppen zeitweise überbelegt oder zusätzliche Hilfskräfte eingesetzt werden, um eine Betreuung gewährleisten zu können. Eine nachhaltige Lösung ist die Überbelegung allerdings nicht. Denn die Maßnahme geht auch an die Substanz der Beschäftigten.
"Die Zufriedenheit der Erzieherinnen und Erzieher am Arbeitsplatz ist der zentrale Schlüssel gegen die Personalnot."
Auf der Suche nach passenden Arbeitnehmern haben die Kommunen bereits viel ausprobiert. Das einhellige Fazit: Am Geld liegt´s nicht. Finanzielle Anreize spielen für die pädagogischen Fachkräfte kaum eine Rolle. Stärker schlägt der Ruf einer Einrichtung ins Gewicht. So wird das neue Personal in einigen Kommunen ausschließlich durch Empfehlungen und Initiativbewerbungen geworben. Für die Erzieherinnen und Erzieher zählen dabei ebenso die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein weiteres Erfolgsrezept scheint die Organisationsstruktur zu sein, analysiert Tok: „Die Beschäftigten bleiben länger, wo die Entscheidungen auf der unteren Leitungsebene getroffen und Freiräume zu Gunsten des Teams getroffen werden.“
In gut einem Jahr werden Eltern auch einen Rechtsanspruch auf die ganztägige Betreuung ihrer Kindern an den Grundschulen haben. „Wir haben mitgenommen, dass Land und Kommunen dabei nochmals über das Geld sprechen müssen“, so Tok. Wer die Kosten für den Betrieb der Nachmittagsangebote trägt, ist bisher noch nicht geregelt. Ebenso verzögern sich die Auszahlungen von Fördermitteln für Investitionen im Zuge des Ausbaus. Laut Toks Informationen sollen alle Mittel noch im Herbst diesen Jahres bewilligt und zeitnah an die Kommunen ausbezahlt werden.
„Unsere Gesellschaft braucht gleichberechtigte Familien. Dazu brauchen Familien zuverlässige Betreuungsangebote,“ betont Tok. Der Ausbau von KiTa & Co. ist ein Kraftakt, der sich lohnt. Für Kinder, Familien und die Zukunft des Standorts Baden-Württemberg.