Wer schon einmal eine Aufstockung geplant oder gar ein Häuschen gebaut hat, bekam es zu tun mit der harten Hand des Baurechtsamtes. Als Grüne sind wir uns sicher: Wir wollen koordiniert gestaltete Quartiere, in den sich alle wohlfühlen. Doch ginge es für die Projektbeteiligten auch einfacher…wären da etwa nicht die Berge aus Papier.
In Baden-Württemberg wird in den kommenden Monaten der digitale Bauantrag flächendeckend etabliert werden. Innerhalb der grünen Landtagsfraktion bekam ich den Auftrag, dieses Thema zu begleiten und voranzubringen. Ich musste jedoch nach Einsicht der Unterlagen feststellen, dass ich mehr Wissen brauche. Also suchte ich mir ein Praktikum bei einem der Pilot-Bauämtern in Bissingen.
Momentan gibt es den digitalen Bauantrag nur in einigen Pilot-Bauämtern, die zweite Pilotrunde ist jedoch schon auf dem Weg und in wenigen Jahren wird das alte Verfahren nirgends mehr zu finden sein: Das alte Verfahren heißt, dass man als Bauherr x-Fache Kopien einzureichen hat und dann erstmal lange nichts hört. Das Bauamt war für den Bürger eine Black Box. Mit dem neuen Verfahren nach Mecklenburg-Vorpommerischem Vorbild reicht ein Upload, dann können alle zuständigen Akteure die Dokumente sichten, gleich Rückmeldung geben und ich als Bauherr kann jederzeit sehen, wo es klemmt, wo ich nacharbeiten muss und in welcher Phase sich das Vorhaben gerade befindet. Das schafft Transparenz und Einfachheit.
Die wichtigsten inhaltlichen Punkte aus meinem Antrag und der Antwort des federführenden Ministeriums:
- Der digitale Bauantrag wird als Komplettlösung angeboten. Von vorne bis hinten wird auf das Ausdrucken verzichtet. Upload, Bearbeitung, Genehmigung als pdf – alles digital. Dadurch machen sich Antragsteller und Behörden unabhängiger von Versand- und Öffnungszeiten. Der Austausch ergänzender Informationen erfolgt in Echtzeit. Das virtuelle Bauamt hat seinen Sitz in der Cloud.
- Ein weiterer Schritt war die vollständige Digitalisierung von Geodaten aus Landes-. Flächennutzungs- und Bebauungsplanung. Bis jetzt sind 41.000 Bebauungspläne online verfügbar.
- Unsere Aufgabe als Land ist es, das Online-Zugangsgesetz des Bundes (eine Selbstverpflichtung für Verwaltungen zur Digitalisierung) kompatibel zu machen mit den realen Abläufen in den einzelnen Bauämtern. Schnell merkt man da, dass nur neue Verordnungen zu erlassen bedingt hilft. Ein Schritt war deshalb interessierte Verwaltungsmitarbeiter zu schulen. Diese rund 750 Leute sind jetzt im ganzen Land als Multiplikatoren verteilt und pushen die neue digital-Kultur im Amt.
Das Thema wurde von der Südwest-Presse aufgenommen. Dort fasst der Redakteur zusammen:
Die Baubranche, sagt der Bietigheim-Bissinger Abgeordnete, sei durch die hohen Materialkosten und die gestiegenen Zinsen ohnehin gebeutelt. […] Ziel sei es, noch in dieser Legislaturperiode das Digitalisierung des Bauens flächendeckend auszurollen. Im Doppelhaushalt 2023/24 stehen dafür jeweils drei Millionen Euro bereit, für die Unterstützung der Kommunen bei der digitalen Transformation durch 35 E-Government-Koordinatoren fließen in diesem Jahr weitere vier Millionen Euro.
Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung haben wir noch einen langen Weg vor uns. Doch denke ich, dass dabei das große Ziel nicht aus dem Weg verloren werden darf: Weg von unserer Leitz-Kultur und hin zu mehr Service-Denken. Wir wollen eine Verwaltung, die von den Bürger*innen her denkt, einfach ansprechbar und flexibel ist. Nur so können wir auch das Vertrauen in den Staat als Ganzes stärken.